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Begegnungen der besonderen Art in Lissabon

Von Peter Koj

Lissabon, ein mythischer Ort. Ein Ort, der Emotionen weckt. Ein Ort, wo sich Lebende und Tote begegnen. Wir kennen das schon von José Saramago (Das Todesjahr des Ricardo Reis) und Antonio Tabucchi (Lissabonner Requiem). Und nun auch John Berger, der englische Autor, der bei uns vor allem durch sein Tagebuch eines Landarztes bekannt geworden ist. Der Titel seines im letzten Jahr erschienenen Buches Here where we meet deutet es bereits an. Es ist eine autobiographische Aufarbeitung von Stationen, die für den Autor von großer Wichtigkeit sind.

Gleich die erste Station ist Lissabon. Sie übertrifft zudem mit über 50 Seiten die anderen Orte (Genf, Krakau, Islington, Madrid u.a.) bei weitem. Diesen sind jeweils lediglich 10 bis 20 Seiten gewidmet. Die Vermutung liegt also nahe, dass es ursprünglich nur um Lissabon gehen sollte oder zumindest, dass dieser Ort der Begegnung zwischen dem Totenreich und dem Reich der Lebenden den Anstoß für dieses Werk gegeben hat. Wie bei Saramago und Tabucchi ist es aber nicht der Geist des lange verstorbenen, aber mental mehr denn je präsenten Dichters Fernando Pessoa, der dem Erzähler erscheint, sondern seine eigene Mutter. Warum sich die alte Dame bzw. ihr Geist ausgerechnet Lissabon als "Wohnsitz" ausgesucht hat und wie gut sie sich in einer Szene zurechtfindet, die sie zu Lebzeiten nie kennengelernt hat, überlassen wir dem Leser herauszufinden. Angemerkt sei nur, dass John Bergers Beschreibungen der Örtlichkeiten und ihrer spirituellen Ausstrahlung gute Ortskenntnisse verraten.

Umso bedauerlicher sind die Fülle der Druckfehler und falschen Angaben. Manches mag darauf zurückgehen, dass der Übersetzer aus dem Englischen wenig Portugiesisch- oder Lissabonkenntnisse hat (Wir mussten das schon bei der Übersetzung der Romane von Robert Wilson feststellen, siehe Portugal-Post 23, S. 19). Doch zusätzlich muss das Lektorat kräftig geschlafen haben. Wenig Sachkenntnis verraten auch die Übersetzungen Kachel statt Fliese für azulejo (S. 17) und Speerfisch statt Degenfisch für peixe espada (S. 39). Und warum heißt es nicht einfach Muräne statt Moreia-Fisch (S. 17)? Richtig weh tun einige Anleihen aus dem Spanischen wie Barrio Alto statt Bairro Alto (S.34) oder señora statt senhora (S. 45). Den Stadtteil García (S. 34) gibt es nicht in Lissabon; gemeint ist wohl Graça. Der Aquädukt wurde schon 1748 fertiggestellt und nicht erst 1784 (S. 48), und der in der Eingangsszene beschriebene weit auslandende Baum auf der Praça Príncipe Real ist keine Zypresse (die wachsen ja bekanntlich schlank in die Höhe!), sondern die berühmte Riesenzeder, o cedro de Buçaco. Nun, dem Ortsunkundigen wird dies alles vielleicht gar nicht auffallen. Und den Portugalfreund sollte es nicht von der Lektüre abhalten.





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Portugal-Post Nr. 36 / 2006


John Berger
Hier, wo wir uns begegnen
Aus dem Englischen von
Hans Jürgen Balmes.
Hanser Verlag 2006. EUR 17,90