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Von Lissabon nach Santiago de Compostela
Tagebucheintrag 10. Juni 2007

Valença und Tui verbindet die Internationale Brücke. Wer sie überquert, erlebt sie von ihrer schönsten Seite. Es ist einzigartig, wie das natürliche Licht seitlich einfällt und das lange, schlanke Gerüst beleuchtet. Sie wirkt so rein, so vornehm. Der Architekt soll übrigens vom Eiffelturm inspiriert gewesen sein.

Mein Eintritt in Spanien ist regnerisch. Alles ist still. Mir fällt ein: Es ist Sonntag. Damit meine Schuhe nicht nass werden, habe ich meine Sandalen angezogen. Auf einmal spüre ich, wie nah ich schon an Santiago bin. Ich erkenne wieder die schönen blauen Fliesen mit der gelben Jakobsmuschel, die an vielen Stellen die gelben Pfeile ersetzen. An der Hauswand sehen sie schöner aus; haben aber auch den Vorteil, dass sie nicht in der Sonne und dem Regen verblassen.

Es wird ein sehr wechselhafter und undefinierbarer Tag. Ständig wechselt das Wetter. Es ist warm und regnerisch. Es gibt schöne Strecken, jedoch auch furchtbar hässliche und ermüdende Strecken. Nach schönem Wald geht es durch endloses Industriegebiet. Es stinkt. Mein Gemüt wechselt auch sehr. Es hängt sehr von der Umgebung und den Gerüchen ab. Die Häuser sind wieder so schrecklich hässlich! Um Fátima herum, waren sie auch so furchtbar hässlich. Richtig hübsch und abwechslungsreich waren sie um Coimbra herum. Jetzt sind sie wieder so unharmonisch, klotzig, aufdringlich und einseitig. Oft sehen sie verlottert aus. Es liegt nicht am Geld. Anscheinend lieben sie im Norden dunkelgrüne Tore mit Gold. Dunkelgrün und Gold finde ich ausgesprochen schön, nur passen diese Tore sehr selten zu dem Rest. In Portugal habe ich beobachtet, dass die Rollläden meistens ganz runtergerollt waren. In Spanien beobachte ich, dass sie morgens ein klein wenig hochgerollt werden, damit etwas Tageslicht reinkommen kann.

In O Porriño kommt ein junger Mann mit einer großen Narbe im Gesicht auf mich zu und begleitet mich bis zum Ausgang der Stadt. Er hätte eine Frage, die er mir stellen möchte, sagt er. "Warum läufst du diesen Weg? Weil du gläubig bist? Für dich? Oder für andere?" Gute Frage. Im Grossen und Ganzen kann ich sie beantworten. Soll ich aber präziser sein, ist die Antwort nicht unbedingt leicht. Komme auf die Portugiesen zurück: Sehr viele Portugiesen gehen den Weg nach Fátima. Meistens ist aber ein persönliches Gelübde der Grund und immer ist die Heilige Maria von Fátima die zentrale Figur. Die Portugiesen reagierten erstaunt, wenn ich erwiderte, dass mein Grund weder ein Gelübde noch der heilige Jakob selbst sei. Rom als Ziel hätte im Prinzip, aus religiöser Sicht, den gleichen Wert für mich. Das Wesentliche für mich ist ein Ziel zu haben, dass eine große Bedeutung hat und somit erstrebenswert ist.

Durch die Innenstadt von O Porriño bewegte sich gerade ein sehr feierlicher, religiöser Aufzug. Aufgrund der schicksalsschweren Orchestermusik, der ernsten Mienen und gleichzeitig farbenfrohen, festlichen Kleidung der Leute wusste ich zunächst nicht, ob es eine traurige oder fröhliche Angelegenheit war. Dann aber sah ich die kleinen, weiß gekleideten Prinzessinnen und kleinen Prinzen. Man feierte ihre erste Kommunion.

Bis Redondela treffe ich überall auf große Familienversammlungen. Einmal singe ich beim Wandern etwas, was man kaum eine Melodie nennen kann. Es sind eher Stimmexperimente. Ich fühle mich unbeobachtet. Auf ein Mal sehe ich, wie eine ganze Gesellschaft schweigt und mich anstarrt. Ups! Wie peinlich! Lache aber und sage ganz laut "Buenas tardes!" Diese verrückten Pilger, haben sie sicher gedacht.

Ich bin froh, nach diesem komischen Tag endlich in Redondela anzukommen. Auf den Straßen liegt ein Teppich von Blumen. Auch hier haben sie die erste Kommunion gefeiert. Im Zentrum geht die Feier weiter. Dass ab und zu ein Regenschauer kommt, scheint die Menschen nicht zu stören. Sie sind so fröhlich. Es herrscht eine lockere Stimmung. Viele Kinder laufen umher, spielen und sind begeistert von den verschiedenen Unterhaltungsprogramme.

Die schöne Pilgerherberge liegt mitten im Zentrum in einem turmähnlichen "Herrenhaus im Renaissance-Stil des 16. Jh.s" (Caminho Português, Conrad Stein Verlag, S. 117). Dort ist auch eine Bibliothek und eine Ausstellungsgalerie. Nach einem vortrefflichen Abendessen in einem der kleinen, unauffälligen Restaurants zeigt mir die Besitzerin stolz eine Sammlung ausgestellter Briefe und Postkarten von zufriedenen Gästen. Es war wirklich auch gut! An der Wand hängt ein Zeitungsartikel über die Spezialität des Hauses: Tintenfisch-Gerichte. Alles Geheimrezepte.

In der Herberge schlafen noch zwei holländische Radfahrer, die auf dem Weg nach Fátima sind. Ebenfalls übernachtet dort ein sehr fröhlich und gesund aussehendes französisches Pilgerpaar, das die Wanderung nach Santiago sehr gemütlich angehen lässt (eine Pilgerform, die für den Körper sicherlich besser ist).





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Portugal-Post Nr. 39 / 2007





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