Zum Schluss gibt's noch 'was für die Ohren
Von Peter Koj
Das Hörbuch hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung genommen. Es findet mehr und mehr Abnehmer nicht nur unter Literaturliebhabern, für die das Lesen beschwerlich ist. Auch für Menschen ohne Sehprobleme stellen die hohe Professionalität der Sprecher und die technische Perfektion der Audio-Kassetten einen großen Anreiz dar. Erfreulich, dass sich darunter zwei Produktionen finden, die aus der portugiesischen Literatur schöpfen. Und wie könnte es anders sein, beide drehen sich um Fernando Pessoa.
Im letzten Jahr brachte der Audio Verlag eine Hörversion von Pessoas Buch der Unruhe heraus. Grundlage ist die "definitive Ausgabe" mit der Übersetzung von Inés Koebel, die der Ammann-Verlag 2003 zu seinem 20jährigen Bestehen herausgebracht hat. Diese als die Gedankengänge des Buchhalters Bernardo Soares deklarierten Texte gelten als ein Höhepunkt der europäischen Prosa mit ihren tief- und hintergründigen Ausführungen, die in einer originellen und provozierenden Sprache voll dichterischer Kraft gefasst sind. Diesen verleiht nun der Schauspieler Udo Samel seine Stimme und zeigt sich als ein "Meister der Feinabstufung" (so Wilhelm Trapp in der ZEIT vom 31. 8. 2006).
Trotz dieser meisterlichen Wiedergabe frage ich mich dennoch, ob es in diesem Falle nicht sinnvoller ist, nach dem Buch zu greifen. Das beginnt damit, dass es sich auf den 4 CDs nur um eine Auswahl handeln kann (die übrigens Egon Ammann selbst vorgenommen hat). Zum anderen verlangen einzelne Texte einfach eine Denkpause, die sich beim Lesen auf natürlichere Weise ergibt, auch wenn es darum geht, eine bestimmte Passage noch mal nachzulesen.
Das sieht ganz anders bei der Aufnahme von Antonio Tabucchis Lissabonner Requiem aus. Ueli Jäggi hat Auszüge daraus bereits 19xx in der Kantine des Deutschen Schauspielhauses Hamburg vorgetragen, unterbrochen von Einlagen der Hamburger Fadistas Belarmino dos Santos und Francisco Fialho. Auf der im letzten Jahr von der Hastings AG (Zürich) produzierten Hörversion kommt eine Geräuschkulisse mit in Lissabon aufgenommenen O-Tönen und geschickt eingesetzten Musikfetzen hinzu. Und da Ueli Jäggi die verschiedenen Figuren, denen der Erzähler begegnet, noch stimmlich absetzt, bekommt man eher das Gefühl, einem Hörspiel zu lauschen als einem Prosatext. Fasziniert folgt man dem Erzähler auf seiner halluzinatorischen Wanderung durch Lissabon, auf der er nicht nur ganz realen Figuren begegnet (Taxifahrer, Zigeunerin, Friedhofswärter, Kellner), sondern auch längst Verstorbenen, seiner ehemaligen Geliebten, seinem Rivalen und schließlich Fernando Pessoa.
Dass Ueli Jäggi dafür mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2007 ausgezeichnet wurde, ist mehr als berechtigt, und man kann sich der Begründung der Jury nur anschließen: "Ueli Jäggi liest die anspielungsreiche, in perspektivischer Brechung komponierte Prosa so, dass für den Hörer die Zeit- und Realitätsebenen ineinander fließen (...) Das ist stimmlich höchst kunstvoll inszeniert, jede Szene lebt aus der Situation heraus, ohne sie aber eindeutig zu fixieren."
Ueli Jäggi hat nicht zu verantworten, dass als Grundlage für das Hörbuch Karin Fleischanderls Übersetzung der italienischen Übersetzung des portugiesischen Originals dient und dadurch die ärgerlichen Fehlleistungen, die wir in unserer Rezension des Buches in der Portugal-Post 23, S.26) schon moniert haben, sich wieder finden, so wenn die Anrede o Senhor (deutsch Sie) mit "der Herr" übersetzt wird. Dafür gibt es an der Aussprache portugiesischer Namen und Begriffe wenig auszusetzen, denn - wie Ueli Jäggi uns damals im Schauspielhaus erzählte - hat er sich einige Zeit in Lissabon aufgehalten.
PS: Zwei Bücher, die unbedingt besprochen gehört hätten, konnten nicht berücksichtigt werden. Das ist zum einen der Bildband Em Portugal. In Portugal von Candida Höfer, zu dem uns der Schirmer/Mosel Verlag kein Rezensionsexemplar geschickt hat, und das seit längerem angekündigte Buch Portugal in Hamburg von Michael Studemund-Halévy, das uns bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag.
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Portugal-Post Nr. 40 / 2007
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Fernando Pessoa: Das Buch der Unruhe.
Gelesen von Udo Samel.
Der Audio Verlag, Berlin 2006
4 CDs, 313 Min., EUR 24,95
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Antonio Tabucchi: Lissabonner Requiem.
Eine Halluzination.
Sprechtheater
Zürich 2006
2 CDs, 110 Min., EUR 19,95
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