Buchtipp des Monats Januar 2015
Von Claus Bunk
Ende der Fiesta - ein Bericht über das Fiasko der Eurokrise in den Ländern Südeuropas
Wer in Portugal oder Spanien noch eine Arbeit hat, sieht seine Einnahmen monatlich sinken und sitzt fest in der Schuldenfalle. Diese Bemerkung kann ich aus eigener Erfahrung unterschreiben und ist ein Bestandteil des Buches von Miguel Szymanski, das von der herannahenden Krise und seiner eigenen Emigration erzählt und als nüchterner autobiografischer Lebensbericht eines "katalanischen Deutschportugiesen" aufgemacht ist. Der Schriftsteller weiß wovon er schreibt, denn er ist selbst in Deutschland und Portugal aufgewachsen und hat für namhafte portugiesische Zeitungen sowie für den ORF und N-TV in Lissabon und Faro 20 Jahre lang gearbeitet. Seine Flucht mit Frau und Kindern aus Portugal hat vorläufig ein glückliches Ende gefunden, denn er fand Anstellung als Journalist in Heidenheim. Doch dies ist nicht das normale Schicksal seiner ehemaligen Kollegen und Nachbarn.
Unser autobiografischer Erzähler ist hin- und hergerissen. Einerseits liebt er seine Wahlheimat Portugal und würde am liebsten in den nächsten Flieger steigen und zurückkehren, andererseits findet er in Zeiten der absoluten Krise am portugiesischen Arbeitsmarkt nur hier in Deutschland einen Job, der ihm und seiner Familie ein würdiges Überleben ermöglicht. Er nutzt das Buch, um einen Rückblick auf sein früheres erfolgreiches Leben in Portugal zu wagen. Die Erzählung beginnt im Jahr 1989, als er als frustrierter Student Deutschland den Rücken zukehrt und nach Lissabon geht, wo er dann als Programmmitarbeiter im Goethe-Institut von Lissabon einen Job findet. Lissabon wird die Stadt seines Herzens, nachdem er auch Erfahrungen in den spanischen Metropolen Sevilla und Madrid gesammelt hat. Er erreicht Portugal zu einer Zeit des Booms, der Lohnzuwächse und der Subventionen, die aus den EU-Töpfen reichlich fließen. Es beginnt die Zeit, in der sich die Portugiesen Luxusautos und Eigentumswohnungen massenhaft auf Pump kaufen. In dieser Zeit arbeitet der Erzähler als freier Journalist für portugiesische und ausländische Zeitungen und beginnt ein Volontariat bei der angesehenen Wochenzeitung Semanário Económico . Als frisch gebackener Wirtschaftsjournalist verkehrt er in Finanzkreisen und bekommt einen Überblick über die hemmungslos korrupte Politiker- und Bankergesellschaft, die sich aus den reichlich fließenden Mitteln bedienen. Geld spielte zu dieser Zeit der 90er Jahre keine Rolle und als Kulturhauptstadt werden in Lissabon die großen Künstler dieser Welt eingeladen. Der Erzähler erinnert sich immer wieder an die krassen Unterschiede zwischen dem Leben in Portugal und dem in seiner alten Heimat Deutschland. In Portugal sind Chaos und Herzlichkeit eng beieinander und in Deutschland gibt es Kontrollsucht und zwischenmenschliche Enthaltsamkeit als prägendes Element. Trotz besseren Lohnniveaus und guter gesundheitlicher Versorgung fühlt er sich in Deutschland wie ein Fremder. Dabei hat er es noch gut, denn er kennt diese urdeutsche Mentalität seit seiner Kindheit. Er stellt sich vor, wie dieses Leben auf die vielen neuen Einwanderer (Wirtschaftsemigraten) wirkt, die sich in diesem Deutschland zurechtfinden müssen. So reflektiert der Erzähler immer hin und her. Mal werden Erinnerungen seiner 20 Jahre in Portugal wach, mal ist er wieder im Hier und Heute Deutschlands. Wir tauchen auch in sein Privatleben und seine Freundschaften ein und lernen die Großeltern näher kennen. Seine Großmutter, eine Deutsche und der Großvater ein typischer Portugiese aus gutem Hause und mit Ausbildung an der Militärakademie Salazars. Nach dieser allgemeinen Einleitung schleicht sich in das Buch die Misere der Krise ein. Erst gibt es nur einige Auswirkungen, die nicht so ernst genommen werden. Dann aber 2008 ist es so weit. In wenigen Monaten wird das Rad der Geschichte in Portugal um Jahrzehnte zurück gedreht. Löhne werden gekürzt. Menschen verlieren von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit. Großflächig überzieht Elend das Land. Die allgemeine Verarmung und der Niedergang des staatlichen Gesundheitssystems, die bis heute anhalten, werden mit praktischen Beispielen aus der eigenen Erfahrung belegt (Probleme bei der Geburt der Tochter). Diese Entwicklung betrübt den Erzähler sehr und ist letztendlich die Triebfeder für seine Emigration nach Deutschland. Dieses Buch ist eine sehr persönliche Reflektion und gleichzeitig eine Dokumentation des Niedergangs Portugals in Zeiten der Krise. Der Titel Ende der Fiesta trifft dabei den Nagel auf den Kopf. Eine interessante Lektüre für alle Portugalfans.
Miguel Szymanski, Ende der Fiesta. Südeuropas verlorene Jugend - 192 Seiten. Gebunden
17,99 Euro im Kösel-Verlag, München